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Kyoto hat was. Nur nicht unbedingt das, was wir uns unter einer alten Kaiserstadt vorstellen – zumindest grösstenteils nicht. Der beim Bau verständlicherweise höchst umstrittene Hauptbahnhof zum Beispiel. Ein postpostpostmodernes Monster, das die Stadt teilt. Man muss durch ihn durch wenn man von Nord nach Süd oder vice versa will. Stellt euch einen ungeheuer hässlichen Klotz vor, der von Flingern bis nach Bilk die Stadt teilt. 16 Stockwerke hoch und voller Shopping Malls. Dabei nur 11 Bahngleise. Und dann, in den Gedärmen dieses Scheusals findet man beschauliche Cafes in denen fehlerfrei Goethezitate als Relief die Wände zieren und Schubert, Brahms und Chopin das Frühstück begleiten. Hmm. Überhaupt hört man überall in Japan Musik der deutschen Romantik. Zumeist in Aufnahmen, die über eine gewisse anheimelnde Glattheit verfügen. Haruki Murakami beschreibt also keine Ausnahmeerscheinungen. Auch sonst bekommt das Wort „Paralellwelten“ hier eine anderen Klang. Die Spannungen zwischen Pflicht und Kür, Arbeit und Freizeit, Geschichte und Moderne, Offenheit und Tabu sind halt komplett anders als bei uns. Sozio- und Ethnologen haben viel über die Unterschiede zwischen westlicher „Schuldkultur“ und asiatischer „Schamkultur“ geschrieben – hier können wir genau dies auf´s allerintensivste spüren. Ist manchmal anstrengend; aber immer spannend.

Schwierigkeitsstufe 1

Wenn es stimmt, was ich zahlreichen Büchern über Japan entnahm, dass das Sprichwort „Der Nagel, der heraussteht, wird eingeschlagen“ japanischen Ursprungs ist und über´s Preussentum (Tenno und Kaiser waren schliesslich dicke miteinander) nach Deutschland kam, erhellt sich mir der Blick auf Günther Ueckers Kunst ein weiteres Mal. Zuletzt sah ich seine Arbeiten in der Langen Foundation einem japanischen Künstler gegenübergestellt, was mir schon ziemlich passend schien. Frau Osaka erzählt uns im Bus einen in Japan populären Witz: Im Pazifik geht ein Schiff unter. Der japanische Kapitän hat nicht genug Rettungsboote und sondert die fünf stärksten Männer aus. Sie sollen Rettungswesten anziehen und über Bord springen. Ein Brite, ein Deutscher, ein Ami, ein Italiener und ein Japaner. Nur, wie überzeugt er die Männer zu springen ? So: Dem Briten sagt er, es sei sportlich zu springen. Der Brite springt. Dem Deutschen befiehlt er zu springen. Er springt. Dem Ami erzählt er was von dem Geld der Versicherung. Der springt auch. Dem Italiener rät er, nicht zu springen. Was der natürlich prompt trotzdem tut. Mit seinem Landsmann hat er es einfach. Er sagt ihm nur: Siehst du, alle anderen springen auch …
Das die anwesenden Amis, Deutschen und Italiener nicht laut lachten versteht sich von selbst. Die Japaner finden diesen Witz urkomisch. Alle Japaner, natürlich.

Direkt gegenüber vom Hauptbahnhof von Kanazawa liegt unser Hotel. Heftiger Kontrast zu gestern. Allerdings sahen wir heute eine imposante Festung, tranken Tee im Teehaus (mit verkürzter Tee-Zeremonie) in einem der berümtesten Gärten Japans und sind jetzt zurück im Zimmer, dessen Ausblick ihr hier seht. Statt Elvis (der übrigens stumm blieb) befürchte ich heute den akustischen Angriff der Killerampeln, die ein grässliches Gepiepse von sich geben, gegen das auch ein geschlossenes Hotelfenster nicht hilft. Vielleicht hilft ausreichend Sake. Konban wa.

Blue Heater heisst er und er singt uns in unregelmässigen Abständen LOVE ME TENDER vor. Wie ich ihn zum Schweigen bringe, weiss ich nicht – er kann nur japanisch. Wir lieben ihn zwar für seine Tätigkeit denn es ist noch ganz schön frisch im Gebirge, aber heute nacht soll er STILL SEIN !

Das Dorf in den japanischen Alpen, in dem wir heute nächtigen gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Unser traditionelles Zimmer (Foto) ist entzückend. Auf der Busfahrt hierher kam mir die wirklich voralpine Landschaft doch sehr von Menschenhand gebändigt vor. Oder von Godzilla.

(14:25 h) In den Bergen, ca. 500 km nördlich von Tokio ist der Schnee erst seit 2 Wochen geschmolzen. Wir haben jetzt genau das Wetter, das uns vor 3 Wochen in Düsseldorf deprimiert hat. Ein paar Grad über Plus und Regen. Die Aussicht vom Hotelzimmer (Foto) ist erst auf den zweiten Blick und nach Studium der Sehenswürdigkeiten auf dem Stadtplan vielversprechend. Bevor wir uns mit den LEHREN BUDDHAS aus der Nachttischschublade beschäftigen, gehen wir doch lieber trotz Sauwetter ins Städtchen. Sehr fasziniert sind wir von der Gebirgs-Vegetation, die sehr ans Bergische Land oder die Eifel erinnert. Wären da nicht Palmen und Bambuswälder zwischen Tannen, Fichten und Kiefern.